Irgendwie begleitet mich das Thema Intelligenz schon recht lange. Ich habe ihr einiges zu verdanken – unter anderem einige meiner größten Probleme. Sie kann ein Biest sein und je stärker ein Biest ist, umso versierter müssen wir im Umgang mit diesem sein, damit wir dessen Kraft nützen können und nicht von dieser zerstört werden. Wunderbar, das klingt ja jetzt schon ziemlich eingebildet, wenn ich über mein starkes Intelligenz-Biest plaudere. Im Artikel wird aber auch erklärt, wie man dieses Biest stärkt, denn Intelligenz ist genauso trainierbar, wie jede andere Fähigkeit. Es ist ein tolles Phänomen, das uns im Grunde nie richtig erklärt wird - ziemlich schräg, wenn man bedenkt, dass im angeblich im Informationszeitalter leben. Sollte da Intelligenz nicht die Hauptressource sein? Naja, egal. Da ich es irre schade finde, dass wir da so im Dunkeln gelassen werden, und schon oft erlebt habe, wie Leute auf einmal anfangen ihre Fähigkeiten auf ganz neuem Level zu entwickeln, wenn sie ein paar entscheidende Infos bekommen haben, ist mir das Thema ein echtes Anliegen.
Ich finde cool, wenn du dich ebenfalls für das Thema interessierst. Es ist ja verrückt. Wenn wir Eltern fragen, welche Eigenschaften sie sich für ihre Kinder wünschen, dann steht hohe Intelligenz sehr weit oben – tatsächlich ist ihnen laut Studien nur gutes Aussehen noch wichtiger. Offenkundig verbinden wir hohe Intelligenz mit Erfolg, einem besseren Leben, größeren Möglichkeiten in vielen Lebensbereichen wie auch der Partnerwahl. Intelligenz ist also in der Vorstellung der Menschen definitiv etwas Positives.
Wenn du mich schon ein wenig kennst, dann weißt du, dass ich der Letzte bin, der gerne die Wolken vor die Sonne schiebt. In diesem Fall muss ich aber die rosa Brille mal ein wenig zurechtrücken, weil die neue Sichtweise, die wir dadurch gewinnen, es uns ermöglicht ein deutlich besseres und glücklicheres Leben zu führen. Wir müssen die Macht, die wir Intelligenz nennen, begreifen, um sie formen und steuern zu können.
Mich hätte Intelligenz beinahe kaputt gemacht. Und ich bin bei Leibe nicht der Einzige, dem es so geht. Doch die Vorstellung, dass Intelligenz auch eine dunkle Seite hat, ist für viele etwas Befremdliches. Als zu erstrebenswert, wird sie uns doch, verkauft, oder?
Sehr oft habe ich in Trainings und Vorträgen meine Zuhörer mit folgender Tatsache geschockt: Die Intelligenz ist im 25. Lebensjahr am höchsten! Jetzt kommt es auf die Veranstaltung an, wie die Reaktion ausfällt. Wenn ich bei jungen Studenten bin, dann siehst du Überraschung und Freude in den Gesichtern, auf Grund der Hoffnung: „Toll, da geht ja noch was!“ Meist ist mein Publikum allerdings älter und die Gesichter lassen einen leichten innerlichen Verfall erkennen, während die Erkenntnis dieser Aussage in den Verstand einsickert. Mit meinen 41 Jahren habe ich demnach selbst schon lange meinen Zenit überschritten und befinde mich schon lange auf Talfahrt – sofern die Aussage stimmt. Was glaubst du, wie gut ich vor 16 Jahre hätte schreiben können? Tut mir leid, aber Ken gibts leider nocht nicht so lange. ;-)
Und tatsächlich ist die Aussage, dass wir Mitte Zwanzig die höchste Intelligenz aufweisen, statistisch korrekt. Dennoch stimmt sie nicht für mich oder für dich – zumindest muss sie nicht stimmen. Eventuell interessiert dich, was dahintersteckt? Okay, wenn wir schon die Zeit hier teilen, dann wäre es ja gemein, wenn ich da nicht ein bisserl mehr Licht draufwerfe.
Wieso trifft uns die Aussage hinsichtlich der höchsten Intelligenz mit 25 Jahren so hart, wenn wir in Wahrheit gar nicht wissen, was Intelligenz wirklich ist? Wenn ich eine Gruppe Menschen nach einer Definition frage, bekomme ich von jedem eine Antwort, die sich von den anderen unterscheidet. Also, es ist nicht so, dass Berta sagt, Intelligenz ist ein Stein und Kurt dagegenhält, er sei sich sicher, dass es sich dabei um eine kleine Insel vor Madagaskar handelt. Die Erklärungen der Leute haben schon halbwegs dieselbe Richtung. Aber einig sind sie sich nie so ganz. Manche meinen, es ist das Wissen, das wir ansammeln. Andere sehen darin unsere Vorstellungskraft verkörpert. Die nächsten meinen, es habe etwas damit zu tun, wie clever man ist, es sei die Stärke des Gedächtnisses oder der Kreativität. Tatsächlich gibt es viele Definitionsversuche, aber keine allgemeingültige Beschreibung dieser Eigenschaft. Versuchen wir es doch mal.
Was glaubst du, was Intelligenz im Kern ausmacht - was sie ihrem Wesen nach ist? Nimm dir doch ein paar Momente und schreib auf, was du glaubst – denn im nächsten Absatz lüften wir schon den Schleier. :-)
Wenn wir das, was Intelligenz im Kern ausmacht - und wir auch als rote Linie in den allermeisten Erklärungen finden - zu einem gemeinsamen Nenner zusammenführen, dann zeigt sich Intelligenz als jene Fähigkeit, mit deren Hilfe wir neue Herausforderungen erfassen, durchdringen und einer Lösung zuführen können – wobei wir ersteres als analytische und letzteres als kreative Intelligenz bezeichnen können. Ui, das war ja ein viel zu langer Satz. Also, wenn du den auf Anhieb inhaltlich komplett erfasst hast, dann Hut ab – Intelligenztest schon mal bestanden. Oder war er trotz der Länge richtig gut geschrieben? Vielleicht teilen wir uns die Lorbeeren einfach.
Also, um was dreht sich Intelligenz dieser obigen Vorstellung nach? Der Punkt ist, dass wir Intelligenz dann benötigen, wenn wir mit Neuem konfrontiert werden. Wissen ist notwendig, um Dinge verstehen zu können. Das ist klar. Aber die Art und Weise wie unser Gehirn mit Wissen umgeht, darin erkennen wir die Intelligenz. Menschen können sich übers auswendig lernen sehr viel an oberflächlichem Wissen aneignen. Man kann damit auf Partys dann furchtbar gut angeben und sich als sehr gebildet profilieren. Aber das hat mit Intelligenz wenig zu tun. Intelligent sind die Leute, die jenes Wissen entwickelt haben. Jene, die es in den Wirren der Welt als Muster erkannten und für uns verständlich machten. Du weiß vermutlich, wie die Relativitätstheorie lautet, oder?
Richtig. Sie lautet E=mc². Das wissen wir. Aber verstehen wir es dadurch schon? Ich würde mal behaupten, dass es einen gewissen Unterschied in der Anzahl der Menschen gibt, die wissen, wie die Formel lautet und jenen, die verstehen was diese Formel bedeutet. Und dann gibt es noch mal weniger, die diese anwenden könnten. Uuuuuuund noch viel weniger, die sie theoretisch weiterentwickeln könnten - in Richtung einer Weltformel.
Intelligenz durchdringt Wissen und Themen. Sie greift mit vielen Fingern hinein, sie diffundiert in die Zusammenhänge und macht sie so für den intelligenten Verstand greifbar und damit begreifbar. Indem wir die Dinge begreifen, können wir sie auch in unserem Verstand manipulieren. Okay, das klingt jetzt so theoretisch. Also lieber ein Beispiel.
Wenn du einem Baby eine Flasche zeigst (also, das Behältnis für Flüssigkeiten, nicht die menschliche Form), dann sieht sie diese und prägt sich dieses Bild ein. Wenn du die Flasche nun hinter dir versteckst und sie dann in einem anderen Neigungswinkel und gedreht wieder zeigst, dann wird das Baby wieder ein Bild einer Flasche machen. Für das Baby sind das zwei unterschiedliche Dinge. Es macht einfach Bilder, ohne zu verstehen, wovon sie da Bilder macht, was man mit diesem Ding machen kann oder wofür es da ist. Deswegen nennen wir diese Art zu lernen auch ikonisches Lernen. Es ist eben auswendig gelernt. Wir nehmen nur die äußere Wand wahr, erfassen nicht die innere Logik.
Das Baby macht, sobald es etwas größer ist aber folgendes. Es schnappt sich die Flasche, sabbert ein wenig drauf, dreht es in seinen Händen herum und betrachtet es von allen Seiten. Im Gehirn werden Informationen nach Ähnlichkeit abgelegt. Es entstehen nun im Gehirn ganz nahe beisammen ganz viele Bilder dieser Flasche. Diese Nähe an Informationen kann das Gehirn dann verbinden. Es versteht, dass es sich dabei um die selbe Sache handelt und es begreift, dass es sich dabei um ein Objekt handelt, das sich drehen lässt. Das ist eine ganz andere Ebene von Gehirnleistung als das ikonische Lernen. Denn nun hat das Baby verstanden, dass die Flasche ein Objekt ist.
Was der Unterschied ist, fragst du? Gute Frage! Bilder sind unveränderbar. Ich kann sie wiedererkennen und ich kann sie wiedergeben. Aber sonst kann ich damit nichts machen. Eben dieses praktisch wenig wertvolle Wissen, das man sich großteils anhäuft. Es ist ja nicht so, dass man in Situationen kommt, wo einem die Jahreszahl nützt, zu der der eine oder andere Künstler geboren wurde. Außer du bist Historiker. Dann ist das sehr wohl relevant. Dann wird sich diese Information aber auch als Objektinformation verinnerlicht haben, die mit den Kunstströmungen verbunden ist, mit anderen Künstlern der Epoche, den Einflüssen auf diesen, usw.
Ein Objekt kann ich nicht nur wiedererkennen. Ein Objekt kann ich im Verstand manipulieren. Die Flasche des Babys kann es nun im Verstand ebenso drehen und wenden. Es kann die Flasche öffnen und weiß, dass es hohl ist bzw. Flüssigkeit drinnen sein kann. Wenn es die Flasche vom Tisch haben will, weiß es, dass es die Flasche umlegen und runterrollen lassen kann. Das ist ja eigentlich schon eine Art angewandter Wissenschaft.
Wenn wir etwas älter sind und diese Objekt-Fähigkeit geschärft haben, ermöglicht sie uns, dass wir Situationen und Herausforderungen mental durchspielen, bevor wir sie in der Realität angehen. Das ist sehr oft der Unterschied zwischen guten und herausragenden Leuten, egal in welchem Lebensbereich. Bei Top-Sportlern sieht man das sehr oft. Sie haben durch intensives Training so viele Varianten von Situationen erlebt und haben eine so große Routine darin dies schnell zu verarbeiten, dass sie Abläufe vorhersehen können. Das maximiert ihre Reaktionszeiten auf unvorhersehbare Änderungen extrem. Das kannst du in verschiedensten, schnellen Sportarten wie Eishockey, Basketball, Tennis, Skifahren etc. sehen.
Intelligenz ist eine Voraussetzung dafür. Dabei möchte ich klarstellen, dass wir hier später primär von der kognitiven, irgendwie klassischen, Intelligenz sprechen. Die Fähigkeit schnelle, sinnvolle Verbindungen herzustellen, lässt sich für mich aber auch problemlos auf somatische, muskuläre Aspekte übertragen. Die Analogie zur Muskulatur ist übrigens höchst praktisch, da sich eben viele Mechanismen dort genauso finden, wie bei den geistigen Leistungen. Die Beweglichkeit des Geistes, die Fähigkeit sich zu reorganisieren, wenn es Herausforderungen nötig machen und dabei das vorhandene Wissen hinterfragen, aufbrechen und neu anordnen zu können, ist somit die Essenz von Intelligenz. Blöde Sache, wenn wir aber nicht von Natur aus mit hoher Intelligenz gesegnet sind, oder?
Auch wenn früher – von vielen Seiten sogar noch heute – behauptet wurde, Intelligenz sei nicht trainier- und entwickelbar, so gibt es genug Studien und neurowissenschaftliches Grundwissen, die das Gegenteil längst bewiesen haben. Die alte Sicht finde ich ja ziemlich niederschmetternd.
Schau mal, du bist ein wenig unterdurchschnittlich intelligent. Aber mach dir nichts draus. Du wirst schon irgendwie durchkommen.
Pffft, das kann doch nicht euer Ernst sein, meine lieben Wissenschafts-Kollegen. Als ich studiert habe, war das noch gängige Auffassung und das ist ja auch erst etwas über 15 Jahre her. Als ich mich mit den neurowissenschaftlichen Mechanismen befasst habe, fiel mir sofort auf, dass das Blödsinn ist. Alles im Gehirn bewegt und verändert sich und zwar laufend. Die Frage ist nur, wie kann ich bewusst diese Veränderungen so steuern, dass ich Fähigkeiten gezielt entwickeln kann. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Intelligenz als Einziges auf Dauer stabil bleibt bzw. sich immer im gleichen Entwicklungsmuster zeigt.
Intelligenz kann sich verändern. Intelligenz kann sogar gezielt von uns entwickelt werden! Sie entwickelt sich dann fast automatisch weiter, wenn wir intensiv an Lösungen für neue Aufgaben und Herausforderungen arbeiten. Wenn unser Kopf „raucht“, wir das Gefühl haben, dass wir trotz aller Konzentration „anstehen“, sich unsere Gedanken durch unser Wissen graben und Kombinationen dessen herstellen, um ein Problem einer Lösung zuzuführen… genau dann wächst unsere Intelligenz.
Warum soll die Intelligenz aber ab dem 25. Lebensjahr abnehmen? Je älter wir werden, umso mehr haben wir bereits erlebt und bei anderen gesehen. Wir können viel öfter auf Routinen zurückgreifen und nutzen unsere gemachten Erfahrungen, um Aufgaben zu lösen. Es gibt nicht mehr so oft wirklich neuartige Herausforderungen – das heißt, wir trainieren einfach weniger und greifen mehr auf das zurück, was wir schon zuvor erarbeitet haben. Über eine Brücke zu gehen ist ja auch weniger aufwendig als diese zu bauen. Genauso wie sich unsere Muskulatur zurückbildet, wenn sich deren Beanspruchung vermindert, reduzieren sich auch unsere anderen Fähigkeiten, wenn wir sie nicht nutzen und fordern.
Die Intelligenz ist deswegen im Durchschnitt über die Menschen mit 25 am höchsten, weil sich im durchschnittlichen Lebensverlauf dort bereits zunehmend Routine breit macht. Am Beginn unseres Lebens ist ja praktisch alles neu. Wir wissen da noch nichtmal, dass es ein ICH gibt. Klingt komisch, ist aber vielleicht einen kurzen Schlenker wert, wenn dich das interessiert. Wenn wir auf die Welt kommen, haben wir kein Verständnis von einem Ich und einer Umwelt. Das ist bis dahin alles eins. Wie lernen wir dann, dass es da irgendwo eine Grenze gibt? Interessanterweise ist es eine haptische Erkenntnis – wir lernen es also über den Tastsinn. Das erzähle ich jetzt natürlich auch aus persönlicher Erfahrung. Die Erfahrung teilen wir alle. Nur daran erinnern werden sich wohl die wenigsten. Es gibt einen zentralen Unterschied beim Tasten, wenn du dich an einer Stelle deines Körpers berührst oder einen Gegenstand der Umwelt. Wenn du deinen Körper berührst hast du zwei Tastempfindungen, einmal bei deinen Fingern und eben an der Stelle, wo du diese am Körper hingeführt hast. Wenn du den Boden berührst, auf dem du gehst, dann hast du nur eine Tastempfindung. Überall dort, wo es einen Übergang von zwei auf eine Tastempfindung gibt, ist die Grenze zwischen unserem Ich und der Umwelt. In weiterer Folge lernen wir die Seheindrücke mit dieser Grenze zu verbinden und nun bekommen wir ein optisches Verständnis davon, wo wir aufhören. Ist ja eigentlich auch irgendwie interessant. Also, das sind Dinge, wie so viele andere, die wir sehr früh lernen und dann sind sie so normal, dass wir unser Leben lang nicht mehr nachdenken - es ist eine Routine-Fähigkeit. Oder hast du schon mal darüber gegrübelt, wie du eigentlich ein Verständnis deines Ich entwickelt hast? :-)
Wenn wir heranwachsen, müssen wir vieles lernen. Wie isst und trinkt man richtig? Wie verhält man sich gegenüber anderen? Dann versuchen sie uns in der Schule allerhand beizubringen. Das soziale Miteinander ist eine enorme Herausforderung. Die meisten von uns haben ungezählte Stunden damit verbracht sich darüber den Kopf zu zerbrechen, warum uns ein bestimmtes Mädchen oder ein Junge nicht mag oder warum sich jemand uns gegenüber so komisch verhält. Wie schafft man es beliebter zu sein? Wie kann man die Aufmerksamkeit einer bestimmten Person auf sich ziehen? Und vieles mehr. Da müssen wir viel Lernen und die Synapsen erleben von Tag zu Tag ein Feuerwerk. Wobei jeder von uns in den verschiedenen Bereichen unterschiedlich stark reflektiert und trainiert. Daraus entsteht ja schließlich auch das große Maß an Unterschiedlichkeit im Bereich der Fähigkeiten. Grundsätzlich wird unsere Intelligenz in dieser Zeit gut gefüttert. Nach der Schule kommt der Praxisschock, wir sollten langsam selbstständig werden, uns im beruflichen Leben zurechtfinden, haben sehr viel schon des öfteren erlebt und … Und dann langsam haben wir die großen Hauptfächer des Lebens zumindest mal gesehen. Welche Noten wir abgeholt haben, ist eine andere Sache. Manches muss man halt später nochmal wiederholen.
Die „ersten Male“ werden eben durchschnittlich ab Mitte Zwanzig seltener. Doch niemand kann uns als Individuum sagen, wann wir unsere höchste Intelligenz haben. Manche fangen spät an, sich für Themen zu begeistern und dann intensiv ihren Geist anzustrengen. Einige suchen sich laufend neue Herausforderungen. Dann wird die Intelligenz nicht einbrechen sondern im Gegenteil langsam weiter gestärkt, natürlich nicht global, sondern in den Feldern, die es für die interessanten Themen braucht, mit denen wir uns so intensiv befassen.
Es ist unglaublich und bestürzend, wie viele Menschen der Überzeugung sind, dass sie einfach nicht besonders intelligent seien und sie daran ohnehin nichts ändern könnten. Unser Selbstbild bestimmt in hohem Ausmaß welche Lebenswege wir einschlagen. Wer sich für dumm hält, wagt sich nicht in Bereiche die scheinbar nur für schlaue Leute funktionieren. Und mal ehrlich, ich hab mich die meisten Zeit meines Lebens für nicht besonders schlau gehalten und phasenweise für richtig blöd. Das mag schon daran liegen, dass ich mich immer mit herausragenden Leuten verglichen habe. Aber machen wir das nicht alle oder zumindest viele von uns? Die Herausragenden sind halt auch sichtbarer als der Durchschnitt. Dadurch ist es naheliegend, dass wir diese eher sehen und uns dann an ihnen messen. Und da schneidet man, wenn man sich vergleicht, schnell mal mies ab. Das haut das Selbstvertrauen auch nicht in höhere Sphären.
Studien (z.B. von Lutz von Rosenstiel) zeigen klar, wie stark unser mentaler Bereich auf die geistige Entwicklung Einfluss nimmt. So wurde eine Klasse von Schülern einem neuen Lehrer übergeben. Zuvor hat man Intelligenztests durchgeführt und dem Lehrer wurden drei Schüler genannt, bei denen sich herausgestellt hatte, dass sie hochbegabt sind. Diese wurden den neuen Lehrer natürlich namhaft gemacht. „Professor Soundso, Sylvester, Dolf und Arnold sind hochbegabt, ihre restlichen Schüler sind alle durchschnittlich begabt.“ So hatte Professor Soundso natürlich einen besseren Überblick, das ist durchaus nachvollziehbar.
Nur hatte man sich die Testergebnisse gar nicht angesehen. Man hatte dem Lehrer drei beliebige Schüler genannt. Nun ließ man den Lehrer einige Monate mit der Klasse arbeiten und machte danach erneut einen Intelligenztest. Erst dann verglich man die beiden Ergebnisse.
Was meinst du? Was hat man festgestellt?
Alle Kinder hatten das Resultat des ersten Tests bestätigt – mit Ausnahme dreier Schüler. Diese drei hatten ein klar besseres Ergebnis erzielt als beim ersten Test. Ich spare mir jetzt die blöde Frage, ob du dir denken kannst, welche drei das vermutlich waren. Klar, Sylvester, Dolf und Arnold – die Expendables von übermorgen – hatten sich ordentlich gesteigert. Dass das kein Zufall sein kann, liegt wohl auf der Hand. Hier ist offensichtlich etwas geschehen, in diesen Monaten.
Unser Gehirn ist eben nicht ein rein rationales Recheninstrument, sondern ein System – ein kognitiv-emotional-mental-sozial-somatisches System. Bei diesem Beispiel erkennen wir den Zusammenhang von kognitiver Entwicklung und mentaler Balance extrem gut.
Wenn Professor Soundso den begabten Schülern eine Aufgabe gab, dann sagte er diesen, dass er überzeugt ist, dass sie die Aufgabe lösen können. Sie seien so begabt und müssen sich nur genug anstrengen, dann werden sie die Lösung auch finden. Wenn Arnold dann kam und meinte: „Prof Soundso, i moan, i kum do net weida.“, dann hat der Lehrer diese Niederlage gar nicht akzeptiert. Er hat ihn überzeugt es weiter zu versuchen: „Hör zu Arnold, ich weiß, dass du das drauf hast. Du musst einfach dein Bestes geben. Es gibt kein Aufgeben. Ich garantiere dir, wenn du dran bleibst, dann schaffst du es!“ Professor Soundso hat das gut gemacht. Wir sehen ja heute, wie weit echte Inspiration Arnold gebracht hast. Bei Dolf war er vielleicht nicht ganz so überzeugend, aber auch immer noch okay. Sylvester und Arnold haben sich dann immer ordentlich ins Zeug gelegt und versucht den anderen auszustechen und die besten Ergebnisse zu liefern. Das war also der Umgang vom Lehrer mit den drei Schülern, die man ihm als hochbegabt „verkauft“ hat.
Zu den normalbegabten Schülern sagte er bei der Übergabe einer Aufgabe eher: „Hier deine Aufgabe, versuch dein Bestes.“ Der Subtext ist: „Es ist ja nicht schlimm, wenn du scheiterst. Du bist ja nicht besonders begabt. Mach dir keinen Stress.“ Der Unterschied ist eklatant. Denn hier wird den Schülern die Option des Scheiterns praktisch schon von Beginn weg als akzeptabel und normal vermittelt. Natürlich braucht es Feingefühl, um die richtigen Worte zu finden. Zu viel Druck ist mindestens so schädlich wie zu wenig Druck. Doch exakt dieses Spannungsfeld hat eine enorme Wirkung auf die Entwicklung der Menschen – weit über die Intelligenz hinaus.
Durch die Art der Behandlung durch den Lehrer veränderte sich das Selbstbild der „begabten“ Schüler. Sie begannen an sich zu glauben und wurden hartnäckiger im Versuch die Lösungen zu finden. Deswegen fanden sie diese auch öfter. Langsam kamen sie auf die Idee: „Hoppla, vielleicht bin ich wirklich begabt. Das hat ja keiner ahnen können. Alter Schwede, mal schauen, was ich noch alles kann.“ Der Erfolg, der durch den Glauben des Lehrers in sie ermöglicht wurde, motivierte sie und sie strengten sich noch mehr an. Rasch erkannten das auch die anderen Schüler und glauben nun ebenfalls, dass die drei Begabten ihnen etwas voraus hätten. Es bürgerte sich ein, dass die anderen nun die Begabten oft auch nach Hilfe fragen, wenn sie selbst nicht weiterwussten. Sie hatten ja den Freibrief zum Scheitern und rasch Nachfragen. Dass dies ihre eigene Entwicklung blockierte, war ihnen nicht bewusst. War es uns jemals bewusst? Haben wir mit 12 Jahren über so etwas nachgedacht? Aus dieser Dynamik in der Klasse von Professor Soundso entstand eine positive Wirkungsspirale der geistigen und mentalen Entwicklung der Begabten.
Sag mal, geht es dir vielleicht wie mir?
Im Grunde weiß man diese Dinge oder sollte sie wissen. Und doch, wenn ich mir die Qualität des Lehrpersonals ansehe, das meinen Weg säumte, dann habe ich das sanfte Gefühl, dass Bestärkung nicht das Hauptinstrument war, das es gerne benutzte. Wenn ich so zurückdenke, dann gab es diese tollen Lehrer. Sie schafften es, dass ich mich gut fühlte, an mich glaubte und tatsächlich war ich in diesen Fächern wesentlich entspannter und besser. Wohl kein Zufall, oder?
Aber meine Intelligenz-Karriere ist ja auch eher seltsam. Ich war eigentlich relativ durchschnittlich intelligent. Es ist wohl eher Zufall, dass ich alle paar Jahre mal Tests dazu gemacht habe. Den ersten in der HAK I in Wels, als einem Lehrer wohl mal langweilig oder er mit seiner Arbeit hinten war und die Stunde bei uns mal nicht zu viel aktiv mit uns machen wollte. Er ließ uns einen Intelligenztest ausfüllen. Dabei war ich eben Durchschnitt oder minimal darüber. Da war ich ca. 15 Jahre. Bei der Stellung fürs Bundesheer haben wir wieder einen Test abgeliefert. Damals erreichte ich in etwa 115 Punkte bei dem IQ-Test. Das hat mich schon gefreut. Das ist doch klar über dem Durchschnitt. Scheinbar hatte ich einen guten Tag. Nach ein oder zwei Jahren im Studium interessierte ich mich für Mensa, das ist der Verein für Hochbegabte. Ich hatte zu dieser Zeit schon ordentlich Selbstzweifel und war praktisch frei von Selbstvertrauen. Das einzige, von dem ich das Gefühl hatte, dass ich dabei ein wenig aus der Masse herausstach, waren meine geistigen Fähigkeiten. Ich machte den Aufnahmetest und erreichte ein Resultat von 132 IQ-Punkten. Das erreichen noch 2% der Menschen. Das war natürlich ein innerliches Fest für mich. Ich war bei irgendwas gut - Juhu!! Wobei, 2% - das sind ja allein in Österreich noch 160.000 Leute. Hmmmm, naja egal. Hab mich trotzdem gefreut. Da meine sozialen Fähigkeiten irgendwie weit nicht so gut ausgebildet waren, wie meine geistigen, konnte ich mir halt da etwas drauf einbilden.
Und das tat ich auch. Mir war nicht bewusst, dass ich schon länger begonnen hatte den Werwolf zu speisen, den Mond mehr und mehr Richtung Vollmond aufzublasen. Du hast dich vielleicht gefragt, wo der Werwolf bleibt? Er schleift seine Zähne. Der kommt gleich. Keine Angst. Oder… doch. Hab lieber Angst. Er hat schon unzählige Leben zerfetzt, ihnen regelrecht die Eingeweide herausgerissen.
Aber meine IQ-Karriere war noch nicht zu Ende. Am Ende meines Studiums hatte ich mich hochintensiv mit hochkomplexen Theorien unterschiedlichster Disziplinen befasst. Ich hatte eine Diplomarbeit geschrieben, die 2000 Jahre Philosophie zum Thema Geist und Gehirn umfasste und neue Erkenntnisse aus dem Brückenschlag zu modernster Neurowissenschaft aufwies. In meinem Doktorat, das ich binnen 10 Monaten abschloss – die letzten 2 Monate wartete ich nur noch auf meine Abschlussprüfung –, erreichte ich sicherlich meinen geistigen Zenit. Okay, erwischt – das fällt mir gerade zum ersten Mal auf, während wir hier plaudern. Bei mir war wohl auch in etwa im Alter von 25 der geistige Zenit, nur eher schon mit 23. Upsi.
Im Rahmen meiner Dissertation war ich im Kontakt mit Kognitionsforschern und vielen anderen Experten verschiedener Disziplinen. Ich brauchte diese, denn ich wagte mich in viele Themen mit neuen Ansätzen und Forschungsergebnissen. Diese Experten bestätigten meine Erkenntnisse. Das hätte mein Doktorvater alleine nicht können, auch wenn er in einigen Disziplinen herausragend gut war. Einer dieser Kognitionsforscher, mit dem ich in Kontakt war und der meine Dissertation inhaltlich angesehen hat, war Dr. Gert Mittring. Den kennst du eventuell. Er ist x-facher Kopfrechen-Weltmeister. Er war auch, aus Spaß, Poker-Weltmeister (die Veranstaltung war zufällig in einem Hotel, in dem er damals war und er hat sich gedacht, er könne ja mal mitmachen, um die Zeit zu überbrücken) und schon einige Male im Fernsehen, um seine unglaublichen Fähigkeiten showtauglich der Welt zu zeigen.
Er und Dr. Ida Fleiß, die leider vor einigen Jahren verstorben ist, sind in der Höchstbegabtenforschung und -unterstützung tätig. Von ihnen erhielt ich die letzte Ortsbestimmung, was meine Intelligenz angeht. Diese war damals jenseits der 145 IQ-Punkte. Für Genaueres hätte es extra Tests benötigt, meinten die Beiden, aber diese seien dann eigentlich nicht mehr recht aussagekräftig. Ab einem gewissen Level würde man es nur noch an den geistigen Leistungen festmachen können und nicht daran, wie gut jemand Tests ausfüllen kann. Zu dieser Zeit war es das erste Mal, dass ich fundierten Zuspruch zu etwas bekam, das ich aus eigener Kraft geschaffen habe. Das war natürlich fein. Dennoch war ich meilenweit davon entfernt gutes Selbstvertrauen zu haben. Viel mehr war ich von Zweifeln und Schwächen in meinem Selbstbild dominiert.
Es gibt einen wichtigen Grund, warum ich diese IQ-Karriere hier so aufarbeite. Es gibt so viele Menschen, die eben glauben, dass sie zu dumm für vieles sind. Es gibt aber genauso viele, die eben nicht gefördert wurden, die keine inspirierenden Lehrer hatten, die eventuell dafür ein Umfeld hatten, dass sie gern klein hielt und demütigte. Wenn wir uns nicht zutrauen besser zu werden, dann wird es nicht geschehen. Jeder von uns kann seine Intelligenz trainieren, genauso wie wir unsere Muskeln stärken können. Es geht darum, dass man das mit ordentlich Willen macht. Und natürlich geht es nicht von heute auf morgen.
Dass duden Glauben an dich brauchst, haben wir schon oben angesprochen.
Weißt du auch, warum das so entscheidend ist?
Das liegt irgendwie auf der Hand und doch ist es nicht wirklich so leicht klar zu bekommen. Es hat mit dem grundlegenden Entwicklungsmechanismus in uns zu tun. Den möchte ich dir auch mitgeben, weil er so wertvoll ist. Er ermöglicht es dir Fähigkeiten mit Hochgeschwindigkeit zu entwickeln.
Es gibt da einen Sensor im Gehirn, der genau darauf achtet, wohin unser Organismus Energie lenkt. Und diesen Sensor gilt es auszulösen. Er reagiert aber nur auf eine bestimmte Art von Reiz. Komm schnell mal mit. Wir gehen kurz ins Fitness-Studio um die Ecke. Ich will dir etwas zeigen.
So, schauen wir uns mal um. Ein paar Leute sind ja hier. Dir ist sicher auch schon aufgefallen, dass Menschen sehr unterschiedlich trainieren. Mich fasziniert es, wie große da die Unterschiede sind. Mir fällt sofort ein Typ ein, der wohl in etwa in meinem Alter ist. Wir hatten früher ähnliche Zeiten, zu denen wir im Studio waren. Er ist rauf auf seinen Crosstrainer, mit dem man ein wenig das Langlaufen simuliert. Und dann ging es los. Also, wenn du genau hingesehen hättest, wäre es dir vermutlich möglich gewesen zu entscheiden, ob er die Maschine bewegt oder die Maschine ihn. Versteh mich nicht falsch. Gegen etwas Bewegungstherapie ist überhaupt nichts einzuwenden. Aber man hatte bei ihm stark den Verdacht, dass er eventuell eine Bombe von jemanden umgeschnallt bekommen hat und wenn er zu schwitzen angefangen hätte, wäre sie hochgegangen. Insofern bin ich froh, dass er nie auch nur in die Nähe dieses Katastrophenszenario gekommen ist. Er war wohl happy mit seiner Art des Trainings, deswegen ist das vollkommen in Ordnung. Nur eines fällt auch auf. Er hat nach fünf Jahren Training den gleichen Bauch vor sich hergetragen wie am ersten Tag. Vielleicht wollte er auch nur nicht zunehmen. Mission erfüllt, würd ich mal sagen.
Und da drüben im Studio sieht man eine andere Art von Training. Das ist eine junge Frau, die ihre Übungssätze ganz bewusst und bis an die Erschöpfung macht – mehrere Sätze der gleichen Übung hintereinander mit kurzen Pausen dazwischen. Sie trainiert alle paar Tage für ca. 45 Minuten. Und schau dir an, wie fit die ist. Eine echte Athletin. Absolut - an der Zeit gemessen - trainiert sie sicher nicht viel mehr als der andere Kerl, der gerade am Crosstrainer eingeschlafen ist.
Als ich mich so intensiv mit Neurowissenschaften und den tiefliegenden, teils noch gar nicht recht verstandenen Mechanismen im Gehirn befasst habe, die für das Hervorbringen unserer Fähigkeiten entscheidend sind, musste ich immer wieder an diese Trainingsunterschiede denken. Denn an ihnen und dem Beispiel von Sylvester, Dolf und Arnold erkennen wir, was der Haupthebel für Speed-Entwicklung ist. Es ist die Konsequenz und Intensität, mit der wir Fähigkeiten beanspruchen plus die Balance von Anstrengung und Regeneration.
Viele Menschen glauben, dass sie im Training stärker werden. Wer sich dann ein paar Sekunden darüber Gedanken macht, dem wird klar: „Nach dem Training bin ich alle. Da bin ich sicher nicht stärker als davor.“ Und du weißt es genauso, dass das stimmt. Im Training bauen wir keine Kraft auf. Wir verbrauchen sie. Wir beanspruchen unsere Muskeln so sehr, bis sie ermüden. Im Training sagen wir unserem Körper nur zwei Sachen.
1. Du bist zu schwach!
2. Ich brauche dich stärker!
Du hast Recht. Das ist eigentlich kein netter Umgang und ziemlich direkt. Aber der Körper braucht diese Klarheit in den Ansagen. Wenn wir beim Training aufhören, sobald es schwer und anstrengend wird, dann glaubt der Körper, dass wir ausreichend Stärke besitzen. Wir kommen ja nie an die Grenzen. Wenn wir ein paar Schritte weiter gehen, bis es richtig anstrengend ist, dann zeigen wir ihm, dass wir diese Stärke benötigen. Er darf nicht schwächer werden. Gehen wir über diese Grenzen hinaus, dann erst senden wir diese zwei so wesentlichen Signale. Genau bei den letzten Wiederholungen, wo der Muskel nicht mehr kann, wir eigentlich am Ende sind, entscheidet es sich, ob wir eine superschnelle Entwicklung einleiten oder einfach eine okay-Entwicklung, wie so viele andere. Nun ist wichtig, dass wir entscheiden, was wir wollen.
Brauche ich diese Fähigkeiten wirklich in dem Ausmaß oder reicht es für mich nicht auch, wenn ich entspannt meine Fähigkeiten weiterentwickle?
Wenn wir aber in kurzer Zeit herausragendes Wachstum (egal in welcher unserer Fähigkeiten) wollen, dann müssen wir unseren Willen in die Waagschale werfen. Wenn dein Muskel dich anfleht aufzuhören, weil er sich nicht mehr rühren kann, dann holst du dir das vor dein inneres Auge, was du erreichen willst. Ist es ein Körperbild, das du für dich unbedingt erreichen willst? Sind es sportliche Erfolge, für die du diese Super-Stärke benötigst? Es ist egal. Du benötigst aber die Intensität der Emotion, um das Gewicht doch noch weiter zu bewegen und wenn es sich nicht mehr bewegt, ganz bewusst den Muskel und die Belastung zu fühlen. Genau in diesen Momenten produzierst du in deinem Gehirn den Impuls für die Super-Entwicklung.
Ein Reporter fragte Muhammad Ali einmal, wie viele Liegestütze er schaffe. Darauf hat dieser schmunzelnd geantwortet, dass er es nicht wisse. Er zähle nicht alle seine Liegestütze. Er fängt erst zu zählen an, wenn sein Körper nicht mehr kann. Genau an diesem Punkt trennt sich die Spreu vom Weizen. Es ist nicht die Veranlagung, die das entscheidet. Sie ist wichtig, wenn man Weltklasse sein will. Aber für das, was wir für den Alltag benötigen, um herausragend zu sein, reicht eine durchschnittliche Veranlagung komplett aus. Praktisch niemand nutzt die Möglichkeiten, die uns unser Organismus zur Verfügung stellt auch nur annähernd aus. Das hat nichts mit den angeblichen 100% des Gehirns zu tun, die wir nützen könnten. Es ist ein vollkommener Blödsinn, dass man 100% gleichzeitig nutzen wollen würde. Das würde bedeutet, dass zu jedem Zeitpunkt alle unsere Erinnerungen, all unser Wissen, all unsere Emotionen aktiv wären. Das wäre der absolute Supergau und entspricht so überhaupt nicht den Prinzipien, nach dem unser Gehirn funktioniert. Wir wären sofort lebensunfähig. Es geht darum, dass wie das, was wir steuern können, mit einem höheren Wissen und Bewusstsein steuern. Dann können wir die Fähigkeiten in uns fast beliebig gestalten und mit dieser Stärke können wir unsere eigene Welt formen.
Nun noch kurz zum Grundmechanismus, den ich eigentlich hier nur aus der Erfahrung heraus beschrieben habe. Unser Gehirn ist extrem ökonomisch aufgebaut. Alles was wir lernen, bedarf des Aufbaus von neuronalen Systemen und sehr oft weiteren Gewebestruktur, wie etwas Muskeln. Das ist ein enormer Energieaufwand. Deswegen unterstützt das Gehirn nicht alle unsere Versuche etwas zu lernen. Wenn du dir einbildest wieder Sport zu machen, weil das halt eben gut bei anderen ankommt oder du ein wenig abnehmen willst, dann ist das voll okay. Meistens läuft es halt so ab. Du gehst drei- oder viermal ins Studio. Und oh oh, puh, da bekommst du bösen Muskelkater, obwohl du echt nicht am Limit warst. Du schwitzt und bist danach ziemlich fertig. Es ist anstrengend und mühsam – und du siehst nicht wirklich Erfolge. Und dann kommt einem beim fünften Mal etwas dazwischen und dann würde man gehen, wenns wieder mal gut reinpasst. Und schon ist es wieder vorbei. Das ist in Ordnung, weil - eigentlich - war es dir nicht wirklich wichtig.
Unser Gehirn ist da ziemlich trickreich. Es testet uns! Es macht uns die Anfänge von neuen Herausforderungen, vor allem wenn wir etwas lernen oder trainieren wollen, ziemlich schwer. Da steht der Organismus tatsächlich eher auf der Bremse. Das wirkt gemein, oder? In Wahrheit ist es brillant. Um die eigenen Ressourcen zu schonen, prüft uns dieser Mechanismus, wie wichtig uns diese Sache ist, die wir da gerade gestartet haben. Wenn wir klein beigeben, dann war es uns nicht wichtig. Wenn wir trotz dieser Mühen durchziehen, dann öffnet das Gehirn die Schleusen. Nach ein paar Trainings haben wir keinen Muskelkater mehr. Wir sind rasch erholt, fühlen uns viel kraftvoller während des Tages, haben trotz Training mehr Energie als zuvor, der Körper verbessert sich optisch, das Training selbst geht viel leichter von der Hand, obwohl wir sogar mehr Gas bei den Übungen geben. Es ist ein wenig so, als müssten wir erst mal den Bob auf den Hügel hinaufschleppen. Aber wenn wir das geschafft haben, kann die Fahrt losgehen und die geht viel weiter runter, als wir es raufschleppen mussten. Am Aufstieg und der Anstrengung, die damit verbunden ist, kommen wir aber nicht vorbei.
Also, das wichtigste ist, dass man sich klarmacht, was man wirklich erreichen will. Wenn wir starten, dann starten wir mit Vollgas. Wenn unser Organismus sich dagegenstemmt, dann bleiben wir erst Recht auf dem Gas, drücken nochmal nach. Und wenn wir das Gefühl haben, jetzt geht nichts mehr, dann holen wir uns jene Bilder in unsere Vorstellung, die zeigen, wofür wir das Ganze machen. Wir drücken uns gegen die Schallmauer und durchstoßen sie mit unserem blanken Willen.
Und so kannst du Entwicklungen in deinem Gehirn auslösen, die sich deiner Vorstellungskraft vermutlich jetzt noch entziehen. 99,9% der Leute haben keine Ahnung zu was sie fähig sind.
In diesem Fall kann ich auch wieder eine kleine Story beitragen, wenn es dich interessiert. Da ich sehr früh in meinem Leben mit Rückenschmerzen geschlagen war, mit 14 Jahren teilweise so extrem, dass ich nach schlechten Belastungen, egal ob Erdbeerpflücken oder ein längeres Basketballmatch, tagelange kaum aufrecht gehen konnte. Bei Untersuchungen kam dann raus, dass ich hypermobile erste Wirbel im unteren Rücken habe. Also die Wirbel, die normalerweise noch stabil sein sollten, sind bei mir beweglich. Super, ist man also total beweglich und so, könnte man meinen. Nur ist die Belastung auf die Bandscheiben durch die Beweglichkeit vervielfacht und deswegen entstanden so rasch Schmerzen.
Es half letztlich nur eins. Ich musste es muskulär so stützen, dass die Wirbel entsprechend entlastet waren und die Bandscheiben trotzdem geschützt wurden. Das ist auch der Grund warum ich dann mit 18 Jahren mit leichtem Training begann. Sicher hatte ich nichts gegen einen optisch ansprechenden Körper, aber die Schmerzen waren meine Triebfeder. Bisserl blöd war nur, dass ich mit dem Training eher lasch war, sobald die Schmerzen weg waren. Durch das mangelnde Training kamen sie natürlich wieder. Dann begann ich es wieder ernster zu nehmen – bis die Schmerzen wieder weg waren, usw. Irgendwann habe ich das besser in den Griff bekommen und so ab 30 war ich eigentlich in dem Bereich schmerzfrei und körperlich ziemlich fit, mit ca. 78 kg, die recht stark beieinander waren. Mit ca. 35 Jahren erwischte mich eine richtig schlimme Magen-Darm-Geschichte. Wenn du schon mal was ähnliches hattest, dann weißt du, dass diese Art der Crash-Diät keinen Spaß macht. Aber sie bringt extreme Resultate. Ich verlor binnen drei Tagen über 6 Kilogramm! Ich weiß noch, wie ich damals in den Trainingsräumen des Schulungszentrums stand, weil ich ja mit den Leuten arbeiten wollte und mir dann gesagt wurde, dass ich im Stehen schwanken würde. Meine Kraft war wie weg, als würde man die Luft aus einem Ballon lassen.
Nachdem ich zwei Wochen gewartet habe, um den Virus sicher aus dem Körper zu haben, machte ich mich daran wieder aufzubauen. Ich wollte meine Kraft zurück. Ich fühlte mich unfassbar schwach. Vor diesem viralen Niederschlag war ich top in Form, mit überschießender Energie und entsprechend war das halt ein lässiges Lebensgefühl. Als ich das erste Mal ins Studio gefahren bin, ahnte ich, dass es nicht so wirklich erfreulich werden wird. Jeder, der nach längerer Pause wieder zu trainieren begonnen hat, weiß, dass man – wie oben erwähnt – seinen Körper erst wieder dazu motivieren muss, einen beim Training zu unterstützen. Mit der totalen Entkräftung nach so einer Infektion ist es natürlich deutlich schlimmer.
Ich, mit meinem frustrierenden Eigengewicht von 71,8 kg, legte mir also meine Aufwärmgewichte auf die Hantelstangen und begann diese zu drücken. Und ganz ehrlich. Sie kamen mir so schwer vor wie die Maximalgewichte, die ich halt am Ende der Übungen meistens noch auflegte. Da ist bei einer Übung ein Unterschied von 30 kg Anfangsgewicht bis 80 kg Maximalgewicht. Schwerer bin ich meist nicht gegangen, weil ich sonst Probleme mit den Handgelenken bekam. So, der Punkt ist aber, dass diese 30 kg sich nun wie 80 kg anfühlten, als ich dort auf der Hantelbank lag. Das war mehr als ernüchternd. Ich fühlte mich zerschlagen. Aber okay, was blieb mir übrig. Ich trainierte halt und war vier Wochen aktiv, kam in meinen Trainingsrhythmus zeitlich wieder rein. Aber es war immer eine Qual. Ich hatte das Gefühl immer wirklich ziemlich an meine Grenzen zu gehen – jedenfalls wars sehr, sehr mühsam.
Nach vier Wochen Qual wollte ich mich belohnen und stellte mich auf die Waage zu Hause. In diesen Wochen maß ich absichtlich das Gewicht nicht, damit es gleich einen schönen Erfolg gab. Nun wollte ich mir den Lohn für die beeindruckenden Einsatz und diese Qualen meinerseits abholen. Die Waage erkannte meine Leistung an und zwar gab sie aus: 71,8 kg!
Verdammte 71,8 kg!!!!!!! ICH HAB MICH 4 WOCHEN GEQUÄLT!! UND DAS IST DER OUTCOME?!?!
Ich kann dir gar nicht sagen, was für eine Wut mich in diesem Momenten durchströmte. Ich sah die Waage und diese lächerlichen Zahlen hasserfüllt an. Hass ist etwas, was in meinem Leben praktisch überhaupt keinen Platz hat, aber in diesem Moment überrollte mich diese Emotion. Es war ja lächerlich! Ich hasste diese Zahlen da auf dem Display. Und ich schwor mir, dass die Waage nie wieder diese Zahlen zeigen wird. Es gibt nur sehr wenige Momente in meinem Leben, in denen ich derart von einer Emotion weggespült worden bin. Die Erwartungen, die ich die vier Wochen vorher aufgebaut habe, war natürlich ganz andere. All die Qualen habe ich durchgehalten, weil ich mich auf einen Erfolg in diesem Moment freute. Allein schon durch die Anstrengung und die Überzeugung, dass es ganz klar ist, dass der Körper viel leichter wieder in die alte Form kommt, wenn diese ihm durch einen abrupten Virus-Eingriff entrissen worden war, hat da einen Einfluss.
Aber worauf diese Story hinaus will kommt jetzt. Ich ging paar Tage später wieder ins Studio, legte mir meine frustrierend geringen Gewichte auf und begann die Übung. Und wie gewohnt war nach ca. 12 Wiederholungen Ende im Muskel. Dann geschah Folgendes! Ich sah die Waage vor mir. Ich sah sie ganz real vor mir, mit den Zahlen: 71,8 kg!! Die Waage schien mich zu verspotten!!! Die Emotion aus jenem Moment durchfuhr mich wie Elektrizität – und recht was anderes ist es ja auch nicht – und jetzt sag ich dir folgendes. Ich drückte die Stange nicht noch 2 mal, auch nicht 5 mal. Ich drücke die Stange noch 12 Mal nach oben!!! Ich hatte einen Energiespeicher aufgestoßen, als würde ein Staudamm brechen und mich in ein Kraftwerk verwandeln. Bei jeder Übung, bei der mir mein Körper sagte, er sei am Ende, holte ich dieses Bild hervor und den Schwur: „Nie wieder!!! Nie wieder zeigst du mir diese verdammten 71,8 kg!!!“ Und wie blaues Feuer floss Strom in meine Muskeln und ließ mich ganz andere Level von Beanspruchungen erreichen.
Und jetzt sage ich dir etwas, was ich selbst für komplett unmöglich gehalten hätte. 4 Wochen später stellte ich mich wieder auf die Waage. Und ganz ehrlich, ich hatte nach dem Schock vom letzten Mal ein blödes Gefühl, obwohl ich optisch sah und krafttechnisch fühlte, dass es besser geworden sein musste. Aber die Waage zeigte etwas, was mich fassungslos machte: 78,2 kg!!!
Ich hatte binnen 4 Wochen 6,4 kg Muskeln regeneriert. Schon klar, alles war sicher noch nicht fertige Muskelmasse, sondern im Umwandlungsprozess. Die, die mich kennen wissen, dass ich zum Sport keine Mittel nehme. Wenn ich viel trainiere, dann trinke ich am Abend hin und wieder einen Shake aus Wasser und eingemischtem Eiweiß, aber das ist schon alles. Das ganze andere Zeug interessiert mich nicht. Diese Entwicklung war alles natürlich und wahrhaftig primär eine mentale Leistung. Sie zeigte mir in einer eindrucksvollen Weise, was möglich ist. Wie gesagt, ich wusste schon davor, dass man da einiges mit mental-emotionalen Techniken bewegen kann. Aber so eine Entwicklung hätte ich niemals für möglich gehalten.
Intensität ist entscheidend dafür, ob wir Fähigkeiten in außergewöhnlicher Weise entwickeln! Wir brauchen unseren maximierten Willen dazu und das geht nur über Emotion!!! Je wichtiger uns das ist, wofür wir die Fähigkeit, das Wissen, etc. benötigen, umso mehr können wir diese Emotion kanalisieren und dann freisetzen, wenn unser Körper uns die Signale schickt, dass er am Limit ist. Dann können wir den Staudamm brechen und die Energie freilassen, die uns auf ein weitaus höheres Level trägt.
Mit dieser kurzen Geschichte und der Gewissheit, dass wir letztlich alles an Stärke aufbauen können, was wir brauchen, sind wir jetzt gewappnet und ziehen in den Kampf – den Kampf mit dem Werwolf.
Der Werwolf ist immer da. Er ist in mir und er ist in dir. Er bedient sich der Intelligenz. Intelligenz ist schließlich nur eine Kraft. Sie ist weder gut noch böse. Sie kann uns nutzen und auch extrem schaden – wenn der „Vollmond“ aufgeht. Dir ist sicher aufgefallen, als du herangewachsen bist und größer und stärker wurdest, dass du dir leichter Schürfwunden und ähnliche kleine Verletzungen zugezogen hast. Du hast auf einmal über mehr Körperkraft verfügt, doch die Haut wurde nicht überall ebenso belastbarer. Je stärker wir werden, umso größer wird auch das Potential uns selbst zu verletzen. Je stärker wir sind, umso wichtiger wird es, dass wir lernen die Kraft gezielt zu nutzen, sie klarer zu kanalisieren.
Intelligenz ist geistige Kraft. Sie ermöglicht uns Gedanken zu weben und zu gestalten, in unserem großen Verstand die Puzzlestücke zu suchen, die wir für die Lösung eines Problems benötigen. Wenn wir jedoch in einen sehr negativen Gemütszustand kommen, wenn wir psychische Probleme (z.B. starke Selbstzweifel, Verfolgungswahn, Persönlichkeitsstörungen, Angstzustände, Depressionen, etc.) bekommen, dann zeigt die Intelligenz ihre Zähne, bekommt Krallen und zerfleischt unser geistiges und emotionales Gefüge umso schneller.
Menschen mit Wahnvorstellungen können sich komplette Welten neu erdenken, um ihre Ideen, die für andere nicht nachvollziehbar sind, darin einzubetten und zu rechtfertigen. Wenn du dir einbilden willst, dass du verfolgt wirst und es eine Verschwörung gibt, dann kann dein Verstand aus allem Hinweise dafür gewinnen. Jeder schaut auf einmal verdächtig. Wenn es ruhig ist, dann ist es verdächtig ruhig. Wenn sich viele Leute melden, dann sind es verdächtig viele. Und haben sich die nicht auch seltsam verhalten, irgendwie?
Hohe Intelligenz kann dazu führen, dass sich Menschen in Kleinigkeiten verlieren oder sich nur mehr auf die Entwicklung ihres Verstandes konzentrieren und dabei die anderen vier Bereiche ihres Wesens (emotionaler, sozialer, mentaler und somatischer) verarmen lassen. Wenn du dein linkes Bein permanent trainierst und den Rest deines Körpers dahinsiechen lässt, dann wirst du auch keine ausbalancierte Kontrolle mehr über dich haben.
Die Intelligenz ist ein Werwolf im Schafspelz. Denn sie umschmeichelt uns. Dieses scheinbare Lamm scheint uns zu helfen. Denn Intelligenz versorgt uns mit Ausreden, wenn wir zu feige sind, um uns einer schweren Aufgabe oder einer unangenehmen Situation zu stellen. Sie versorgt uns mit Rechtfertigungen für unser Versagen. Ich habe jahrelange immer schon tolle Ausreden bei der Hand gehabt, noch bevor ich etwas überhaupt versucht habe. Es war schon mehr oder weniger ein Reflex. Es war mir ein Leichtes die Schuld meiner Missgeschicke sofort bei anderen zu finden. Ich suchte die Schuld nicht bei anderen. Ich war darin schon so versiert und schnell – es war wirklich ein intuitives Finden. Wenn was danebengegangen ist und du warst gerade in der Nähe, hast du sicher irgendwie dazu beigetragen, dass ich gerade versagt habe. Ja, du siehst schon, dass meine Fehlerkultur damals noch nicht ganz ausgereift war.
“Wie sieht es bei dir aus? Werden deine Gedanken oft vom Werwolf gelenkt und versorgen dich mit Rechtfertigungen, Schuldzuweisungen, Ausreden, usw.?
Heute denke ich in dutzenden Aspekten komplett anders. Ich durfte so vieles von anderen lernen, wofür ich jeden Tag dankbar bin. Sonst wäre ich mit mir und meinem Werwolf wohl nie wirklich zurechtgekommen. Dieser Werwolf hat mir so lange das Gefühl gegeben, dass er meine größte Hilfe im Leben ist. Denn für uns ist der Schutz unseres Selbstwertes von herausragender Bedeutung. Wenn wir ständig etwas falsch machen und wir uns für unwürdig und minderwertig halten, dann zerstört uns das letztlich. Deswegen gibt es diesen Defensivmechanismen. Sie sollen uns schützen. Wir sehen nur nicht gleich und oft zu spät, welchen horrenden Preis wir für den Schutz zahlen, den uns der Werwolf in Lämmchengestalt so gut verkauft.
Die Ausreden, die Schuldzuschreibungen, das Kleinreden von Fehlschlägen, usw. – das alles sind Leistungen, die unsere Intelligenz hervorbringt, aber die uns in Wahrheit nicht weiterbringen – ganz im Gegenteil. Je kräftiger die Intelligenz ist und je weniger wir verstehen diese Kraft zu beherrschen, umso gefährlicher werden stark negative emotionale Zustände. Was geschieht, wenn ich bei der Prüfung versage? Was denken dann meine Freunde? Was denkt meine Familie? Kann ich dann überhaupt noch im Studium weitermachen? Wie schaut das dann mit meiner Karriere aus…? Wir können uns in sekundenschnelle graue Welten aufbauen, die Nacht in unser Leben lassen – und die Nacht beherbergt den Vollmond. Je intelligenter wird sind, umso negativer unsere Emotionen sind und je geringer unsere Fähigkeit vernünftig mit diesen umzugehen, umso stärker wird der Werwolf.
Wenn sich solche inneren Entwicklungen zeigen, der Vollmond aufsteigt, dann öffnet der Werwolf seine schimmernden Augen und rammt seine Zähne in das Fleisch unserer geistigen Gesundheit. Das Fatale ist, dass der Werwolf so kräftig sein kann, dass er den Vollmond am Himmel hält, und dafür sorgt, dass sich unsere Intelligenz konstant gegen uns wendet. Denn ein negativer Gedanke produziert den nächsten, er schafft sich seine eigene Lebenswelt. Wir können uns in einen Wirbel von Negativität hineindenken. Irgendwann ist die Welt ein schlimmer Ort, die Menschen sind alle gemein, keiner mag uns, alle sind blöd, keiner bietet uns Chancen. Alles was um uns herum geschieht, zerrt der Werwolf in die Nacht hinein. Selbst alles, was die Menschen und die Welt uns Gutes wollen, schnappt sich der Werwolf und erklärt uns, dass das alles nichts bedeutet. Die Leute erwarten immer etwas, wenn sie nett sind. Jeder ist sich selbst am nächsten. „Du darfst nur auf dich vertrauen und auf mich – deiner tollen Intelligenz (flüstert der Werwolf, während er sich an unserem Innersten labt).”
Manche Menschen sind genial darin negativ zu sein. Sie versagen aber dabei diese Energie in den Tag hinüberzunehmen. Nur die Dunkelheit lässt ihre Kraft entfalten und der Werwolf verschlingt langsam ihr Leben.
Intelligenz kann, richtig eingesetzt, praktisch alle Probleme lösen. Ist jedoch das innere System (die anderen Bereiche des kognitiv-emotional-mental-sozial-somatischen System) in bestimmter Weise gestört und aus der Balance, kann diese Kraft zu einer wütenden Bestie werden, die uns von innen heraus zerstört.
Je intelligenter wir sind, umso wichtiger ist es, dass wir die anderen inneren Bereiche nicht vernachlässigen. Wir müssen die Kraft besitzen diese Kraft zu beherrschen. Wir müssen Herr oder Herrin im Haus sein. Es muss uns klar werden, dass jede Form der negativen, emotionalen Spirale nur Schlechtes produziert. Es erwächst nie etwas Gutes daraus. Eine negative Emotion sollten wir so schnell wie möglich in etwas Konstruktives umlenken – wie ich es damals mit den 71,8 kg gemacht habe und in unzähligen anderen Fälle danach gemacht habe.
Ehrlich, früher habe ich einen großen Anteil meines Lebens damit verschwendet mir über Dinge ängstlich den Kopf zu zerbrechen, die zu fast 100 % gar nicht real geworden sind. Ich habe so viel darüber nachgedacht, was andere über mich denken und von mir halten. Das hat mich klein und schwach gemacht. All die Intelligenz, all die Anlagen, die andere in mir positiv gesehen haben, setzte ich letztlich gegen mich ein – aus Unsicherheit, Angst und fehlendem Verständnis, wie es besser geht.
Nur wenn wir gelassen und ausbalanciert auf beiden Beinen stehen, können wir unsere Kraft jederzeit so einsetzen, wie es gerade notwendig ist. Deswegen ist die Beinarbeit praktisch in allen Sportarten von einer so unglaublichen Bedeutung – wobei sie oft dennoch vernachlässigt wird. Aber sieh dir herausragende Sportler an, wie Michael Jordan, Kobe Bryant, Muhammad Ali, Roger Federer, etc. Nur wenn du zu praktisch jederzeit diese Balance hast, bist du in der Lage dein Potential auch umzusetzen.
Stell dich mal ganz entspannt auf beide Beine und versuche dann schnell Bewegungen zu machen, nach links drehen, einen Kick machen, was auch immer.
Jetzt bringe deinen Oberkörper nach vorne, dass du quasi ein Übergewicht nach vorne hast. Und versuche die gleichen Bewegungen noch einmal auszuführen. Es ist ungleich schwerer und sicher nicht so kraftvoll.
Diese Balance haben wir dann, wenn wir eine echte Grundkompetenz in den fünf zentralen Bereichen haben: Mentale, soziale, emotionale, kognitive und somatische Stärke. Du musste übrigens nicht in allen Bereichen top sein. Wenn du überall halbwegs gut bist, bist du in Summe schon herausragend – glaub mir. Die allermeisten haben irgendwo Talent und fokussieren sich darauf, weil es dort halt leicht geht. Die anderen Bereiche werden vernachlässigt. Das ist ewig schade und mehr als vermeidbar.
Extrem wichtig ist, dass wir unsere Emotionen verstehen und steuern lernen. Mit ihnen lenken wir auch den Werwolf. Wir nutzen die Kraft der Intelligenz und vermeiden ihre Zähne und Klauen. Ich hoffe, dass dir dieser kleine Ausflug, eventuell auch der kleine Perspektivenwechsel, gefallen hat. Mir war es eine Freude mal wieder ein wenig über dieses Thema zu plaudern, das mich so lange Jahre gefesselt, befeuert und gequält hat.
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