So bewirbst du dich an einer Kunstuniversität

Da ist er also: Der große Traum, ein echtes Ziel für die Zukunft und vielleicht sogar das Gefühl von Berufung?! Ein Studium an einer Kunstuniversität ist kein Zufall und kein Studium aus Verlegenheit. Hier landen tatsächlich nur Menschen, die das wirklich wollen. Warum ist das so? Muss man da nicht einfach nur gut zeichnen und malen können? Leider genügt das nicht und ist je nach Studiengang auch nicht unbedingt die wichtigste Voraussetzung um aufgenommen zu werden.

Wer wirklich an einer Kunstuniversität studieren will muss erst einige Hürden überwinden, um einen Studienplatz zu ergattern. Daher ist es sicherlich von Vorteil etwas Biss und Durchhaltevermögen mitzubringen. Ich spreche in diesem Fall aus Erfahrung, denn ich habe mich an mehreren Stellen für Malerei und dann später für Grafikdesign beworben, bis ich meinen Traum verwirklichen konnte. Später war ich als Studierendenvertreterin bei den Mappenbesichtigungen und Bewerbungsgesprächen dabei. Meine Learnings und teilweise lustigen Storys möchte ich hier mit dir teilen.

Ich habe mich an mehreren Universitäten in Deutschland und Österreich für einen Studienplatz beworben. Der Bewerbungsprozess war an allen Universitäten relativ ähnlich. Erst muss eine Mappe mit Arbeitsproben abgegeben werden (hier variieren die Vorgaben je nach Uni, FH oder Akademie), dann folgt eine Hausaufgabe (entweder als Runde 2. des Ausscheideverfahrens oder manchmal auch gleich nach der Mappenabgabe). Spätestens an diesem Punkt wird ausgesiebt und zum Gespräch wird nur noch ein Bruchteil der Bewerber:innen eingeladen.

Vorbereitung

Was ich bei den Bewerbungen gelernt habe und dir gerne mitgeben möchte ist, dass nicht nur die Erstellung der Arbeitsproben die Vorbereitung darstellen. Ich habe damals den Fehler gemacht und meine Mappe an Universitäten geschickt, die ich vorher nie besichtigt hatte. Also geh tatsächlich zum Tag der offenen Türe, unterhalte dich dort mit Studierenden und quetsch sie aus, was ihren Professorinnen und Professoren wichtig ist und welche Themen in der Klasse relevant sind. Schau dir auch unbedingt an, gerade bei einem Studium der bildenden Kunst, was deine zukünftige Professorin bzw. Professor selber macht. Ich wurde bei der Angewandten in Wien abgelehnt, weil mein Stil nicht genug zu dem der Professorin passte.

Also erkunde mit offenen Augen und Ohren die Universität, Akademie oder FH und mach dir bitte auch Gedanken, ob du dich an diesem Ort wirklich wohlfühlst. Du bist als Bewerber:in nicht einfach nur eine Bittsteller:in, du wählst dir ja auch den Platz aus, an dem du studieren willst und suchst nach Menschen, die dich inspirieren und von denen du lernen willst. Auch eine interessante Frage an andere Studierende ist z.B., wie oft die Professorin oder der Professor vor Ort ist. Manche Stars schauen nur einmal im Monat bei ihren Studierenden vorbei. Die Entscheidung liegt bei dir, ob es dir wichtiger ist einen schillernden Namen im Lebenslauf stehen zu haben oder von jemanden zu lernen, der öfters mal ansprechbar ist.

Auch noch interessant zu wissen ist, wie viele Studienplätze es gibt und auch wie hoch die Anzahl der Bewerber:innen in den letzten Jahren war. Als Beispiel von damals: In Wien bei der Angewandten haben sich für Grafikdesign auf 10 freie Plätze 400 Personen beworben. In Linz an der Kunstuniversität auch 400 Personen, jedoch auf 20 Studienplätze. Die Bewerbungen finden immer nur einmal im Jahr statt.

Die Mappe

Über Bewerbungsmappen gibt es sehr viele Mythen, einiges an Literatur und an privaten Vorbereitungskursen. An manchen Studieneinrichtungen ist es möglich die Mappe vorab checken zu lassen. Das ist eine tolle Möglichkeit schon früh Kontakt aufzunehmen und ein Gefühl zu bekommen, ob die eigene Mappe gut ankommt und ob du wirklich gerne ein Teil dieser Klasse werden möchtest.

Die folgenden Erfahrungen beziehen sich auf den Studiengang Grafikdesign und Fotografie in Linz. Hier war ich selber erfolgreich mit meiner Bewerbung und war später dann auch beim Auswahlverfahren dabei. Inzwischen suchen jedoch andere Personen die zukünftigen Studierenden aus.

Wenn du deine Mappe vorbereitest, dann denk bitte an die Situation vom Komitee, die alle Mappen besichtigen müssen. Da sitzen meist drei bis vier Leute zusammen, die sich mehrere Tage lang Arbeitsproben anschauen müssen und diese bewerten. Aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, die Mappenauswahl kann wirklich eine ziemlich zache und anstrengende Aufgabe sein. Daher vermeide es Dinge zu zeigen, die du in der Schule gemacht hast und die noch zehn deiner Kolleg:innen ebenfalls abgeben. Das fällt auf, langweilt enorm und sagt nicht viel über deinen Arbeitsstil aus. Setz lieber auf Qualität, also zeig ihnen welche Themen dich interessieren und wie du an ein Thema herangehst. Konzeption wird in fast allen Klassen großgeschrieben und hübsche Bildchen begeistern die Jury daher nur sehr selten (unscharfe, verwackelte Fotos übrigens auch). Daher meine klare Empfehlung: Die Mappe als Gesamtkonzept betrachten und nicht als kuratiertes Skizzenbuch. Denk daran das Interesse der Jury mit einer spannenden Story, einem interessanten Konzept oder sogar einem richtigen Wow-Effekt zu wecken.

Die (Haus-) Aufgabe

Manche Einrichtungen geben ein Thema vor, zu dem innerhalb von einigen Stunden etwas erarbeitet werden soll. Oft wird diese Arbeit dann beim nächsten Schritt im Gespräch besprochen. Es geht meist darum herauszufinden, wie deine Herangehensweise an so ein Thema ist und wie du die Aufgabe konzeptionell und visuell löst. Hier geht es meist weniger um eine perfekte Umsetzung, sondern mehr um eine gute Idee.

Es kann aber auch anders laufen. Bei der Akademie der bildenden Künste in Wien gibt es z.B. keine Vorgaben und es arbeiten alle Bewerber:innen vor Ort. Professor:innen aller Studienrichtungen sehen sich an, was für Arbeiten dort entstehen und suchen sich so Studierende für ihre Klasse aus. Such hier ruhig nach dem Crazy Shit in dir! Ich war so nervös in der Situation und habe die sanften Hügel meiner Heimat gemalt, mit denen ich leider keinen bleibenden Eindruck hinterlassen habe. Die Professor:innen haben damals im Gespräch mit mir sogar von Rückzug gesprochen und konnten daher nicht gut beurteilen, ob ich in ihre Klasse passen könnte.

Eine gute Freundin von mir ist damals übrigens shoppen gegangen, bevor sie sich an die Lösung der Aufgabe gemacht hat. Sie wollte sich und das ausgearbeitete Thema beim Gespräch im passenden Outfit präsentieren. Sie sagte mir, sie sei so nervös gewesen und habe deshalb so etwas wie ein Kostüm für ihr Alter Ego als Künstlerin gebraucht.

Das Gespräch und der Kaffee am Morgen

Kein Mensch ist jeden Tag gut gelaunt. Gerade wenn die Bewerbungen innerhalb von wenigen Tagen abgewickelt werden, kann die Jury am Tag des Bewerbungsgesprächs schon etwas müde sein oder aus persönlichen Gründen nicht so gut gelaunt. Außerdem wiederholen sich hier die Fragen und Antworten richtig oft. Im Idealfall schaffst du es, dass hier ein richtiges Gespräch zustande kommt, ihr gemeinsam lacht und euch etwas kennenlernt.

Achtung Standardfragen! Hier unterscheiden sich Universitäten nicht großartig von HR-Abteilungen. Sollte kein richtiges Gespräch entstehen, bereite dich lieber auf folgende Fragen vor, denn sonst sagt man ja meist aus Verlegenheit irgendwas Komisches:

  • Welche Ausstellung hast du in letzter Zeit besucht / bzw. hat dir am besten gefallen?

  • Welcher Film hat dir im letzten Jahr gefallen?

  • Was sind deine Lieblingskünstler:innen / deine Vorbilder?

  • Welche Werbung gefällt dir gerade besonders gut?

  • Welche Zeitschriften oder Bücher liest du gerne?

Ja, es geht darum dich kennenzulernen und abzuchecken, ob du dich wirklich für den Bereich interessierst und damit beschäftigst. Daher nimm die Fragen auch gerne als Impuls, dich noch mehr mit dem Thema auseinanderzusetzen. Du willst das ja immerhin studieren, also eine Expert:in werden :)

Das Ergebnis

Zu meiner Zeit wurden noch Listen mit Namen, von allen die aufgenommen wurden, im Eingangsbereich aufgehängt (bei Zwischenergebnissen lief das auch so). In einem Brief wurde dann das Ergebnis schriftlich versendet. Wahrscheinlich läuft das inzwischen etwas digitaler ab.

Einige Universitäten bieten es an, wenn das Ergebnis knapp ausgefallen ist, die Arbeiten zu besprechen, um die Chancen bei der nächsten Bewerbung zu verbessern. Hier ist es Glücksache, ob man mit dem Feedback etwas anfangen kann. Nach meiner Erfahrung handelt es sich um keine Zusammenfassung von der Jury, sondern das, was der Professor:in oder ihrer Assistent:in in diesem Augenblick an Feedback einfällt. An der UDK Berlin bezog sich das Feedback überwiegend auf einen Gelbton, den ich bei einem Bild verwendet hatte. Damit konnte ich damals leider nicht sehr viel anfangen. Aber ich würde solche Chancen trotzdem nutzen.

An meine positive Rückmeldung kann ich mich noch sehr genau erinnern. Zu diesem Zeitpunkt habe ich in Wien in einer WG im vierten Stock ohne Lift gewohnt. Während ich im Stiegenhaus vom Briefkasten zurück nach oben zur Wohnung ging, habe ich mich nicht getraut den Brief zu öffnen. Mit ganz viel Herzklopfen und einer riesigen Portion Angst habe ich die Antwort in der WG-Küche gelesen um dann wie ein Flummi, überglücklich durch die ganze Wohnung zu springen. Danach habe ich so ziemlich alle Kontakte auf meinem Handy einmal angerufen um ihnen von dem Ergebnis zu erzählen.

Meine Lösung

Leider gibt es keine Step-by-Step Anleitung, mit der du sicher zu deinem Studienplatz kommst. Ich möchte dir an dieser Stelle aber verraten, mit was ich mich erfolgreich beworben habe. Vielleicht inspiriert es dich in eine andere Richtung zu denken oder sogar etwas freier mit der Situation umzugehen. Der Bewerbungsprozess wirkt sehr formal, aber du bewirbst dich an einer Kunstuniversität und wo willst du denn sonst Regeln brechen, wenn nicht hier?

Ohne es zu wissen oder benennen zu können habe ich damals meine erste Kampagne inklusive Branding kreiert. Damit habe ich mich in Linz und in Graz beworben und wurde zu beiden Aufnahmeprüfungen eingeladen. Diese fanden leider zeitgleich statt, weshalb ich mich für eine Stadt entscheiden musste. Die Wahl fiel auf Linz, da ich hier schon mehr Vorarbeit geleistet hatte, wie ich dir gleich im Detail erzählen werde. 

Bezugnehmend auf das trojanische Pferd habe ich mich mit einem trojanischen Pony beworben. Im Mittelpunkt stand ein Schaukelpferd aus Plüsch, dem ich die Mähne rosa einfärbte und Rollen an die Kufen schraubte. Dieses kitschige Ding sollte mir helfen einen Studienplatz zu erobern. Ich erstellte Vektorgrafiken von diesem Pony und produzierte eine Vielzahl an Stickern mit dieser Zeichnung. Einer davon war dann z.B. „I (Zeichnung von Pony) Troja“. Ich reiste Wochen vor der Bewerbung von Wien nach Linz um diese Sticker im Stockwerk der Studienrichtung, im Lift, im gesamten Stiegenhaus und allen Professor:innen auf die Bürotüren zu kleben. Damit war meine Bewerbung angeteasert.

Am Tag der Mappenabgabe zog ich das Plüsch-Pferdchen mit einer Box am Rücken in die Universität und löste so einen Aha-Moment aus, da nun klar wurde, was die ganzen Pony-Sticker überall sollten. In der Box des Ponys befanden sich dann meine Arbeiten. Ich hatte eine Fotoserie erstellt und hatte auch eine Freundin gebeten mich mit dem Pony zu fotografieren. Aus diesem Material hatte ich etwas gestaltet, das ich Pony-Pop-Magazin nannte. Darin zeigte ich, wie ich Fotos, Grafiken und Text miteinander kombinierte, Seiten aufbaute und gestaltete. Inhaltlich war immer dieses Pferd präsent, es ging darum Kitsch und Trash im Design spielerisch zu erkunden. Dies war übrigens auch eine gute Basis für das Bewerbungsgespräch, denn ich hatte die Neugierde der Jury geweckt. Die Mappe fiel schon alleine vom Format auf, und wahrscheinlich fanden sie die Arbeiten schräg und interessant zugleich. Meine Studienkolleg:innen erinnern sich übrigens noch immer gerne an diese Aktion. Das kommt immer wieder auf, obwohl das jetzt auch schon über 10 Jahre her ist. Naja immerhin war das auch der erste Eindruck den ich bei ihnen hinterlassen habe.

Nach dem Studium

Man könnte glauben, so eine Bewerbung ist nur ein Eintrittsticket und wenn man mal studiert hat, dient es maximal als eine Story auf einer Party oder um sich mit Studienkolleg:innen an „damals“ zu erinnern. In meinem Fall habe ich von dieser Zeit der Bewerbungen gelernt nicht aufzugeben, auch wenn ich einige Male auf die Nase gefallen bin. Aber ich bin auch nicht stur weiter gegen das Hindernis gelaufen, sondern habe mich in der Zwischenzeit von Kunst/Malerei zu Grafikdesign und Fotografie umorientiert. Manchmal stimmt schon die grobe Richtung (z.B. die Kunstuniversität) aber ein anderes Studium passt vielleicht viel besser. Für den Studiengang Grafikdesign wurde ich dann auch schnell aufgenommen, während ich bei den Bewerbungen für ein Studium der Malerei schon am verzweifeln war.

Von der Pony-Mappe habe ich gelernt, dass sich Mut, Durchhaltevermögen, Nerven und vor allem eine besondere Idee und Konzeption einer Kampagne den Unterschied machen. Rückblickend war das der erste Grundstein für meine Arbeit heute. In unserer Agentur Superbrilliand, die ich mit meinem Partner Christian gemeinsam gegründet habe, entwickeln wir für Unternehmen Brandings und Kampagnen, die durch kreative Herangehensweisen und spezielle Konzepte auffallen. Auch als kleines Design Studio überzeugen wir so unsere Kund:innen mit Konzeptideen und können uns so gegen etablierte Agenturen durchsetzen, ganz ähnlich dem Studienbewerbungsprozess, wo du gegen viele andere antrittst. Warum Superbrilliand? Weil wir das Potenzial einer Marke als Rohdiamanten sehen. Wir wollen also nichts hinzufügen, sondern schleifen die Facetten der Marke heraus, um Klarheit in der Kommunikation zu schaffen und die Marke zum glänzen zu bringen.

Du als Bewerber:in bist auch so ein Rohdiamant. Dein gesamtes Potential, ist ja bereits vorhanden. Es geht bei deiner Bewerbung darum, dich in einigen Facetten zu zeigen, ein möglichst klares Bild von dir zu zeichnen und so einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Auch wenn Künster:innen das meist nicht gerne hören, auch sie sind Marken. Warum behaupte ich das? Weil erfolgreiche, bekannte Künstler:innen es geschafft haben für Wiedererkennung zu sorgen. Jörg Immendorf ist z.B. der Künstler mit den Affen, Hermann Nietsch der mit den ritualisierten Klecksereien, Marina Abramovic leidet in ihren Performances, Stefan Sagmeister und Jessica Walsh schlagen die Brücke zwischen analogem und digitalem Grafikdesign und bei der Malerei von Xenia Hauser scheinen die abgebildeten Personen sogar im Gruppenbild einsam zu sein. Wie würdest du deine Arbeit so ganz platt und in wenigen Worten beschreiben? Das ist alles Teil des Personal Brandings und davon ist auch Kunst nicht befreit. Ihr merkt schon, Branding ist meine Leidenschaft und zieht sich daher auch durch alle Lebensbereiche durch.

Im Wort Bewerbung steckt, wenn auch oft unbeachtet, das Wort Werbung. Werbung wird immer passend zu einem Produkt entwickelt und daher gibt es unendlich viele Möglichkeiten zu werben oder sich selber zu bewerben. Gerade wenn du Grafikdesign oder Fotografie studieren willst, sollte dich daher dieses Thema brennend interessieren. Das ist ganz unabhängig davon, ob du später tatsächlich in einer Werbeagentur arbeitest oder einen anderen Weg einschlägst. Auch wenn du bildende Kunst studieren willst und dich daher von Design und Kommerz abgrenzt, kannst du doch trotzdem dieses Werbe- und Brandingwissen für dich nutzen, oder? Gerade wenn du es ablehnst, kann es eine großartige Orientierung für dich sein und dir so helfen, dich selber zu vermarkten.

Genug geschrieben. Jetzt wird es Zeit für dich aktiv zu werden, dich auszuprobieren und deinen Versuch zu starten. Ich wünsche dir ganz viel Freude und Erfolg dabei, deinen eigenen Weg zum Studienplatz zu finden und hoffe, dich mit diesem Text dabei etwas zu unterstützen. Alles Gute!

Published by Maia Emilia Parussel on Sep 16, 2021
Revised on Aug 25, 2022
Respond to the author

On Ken, we're trying to figure out how the world works — through written conversations with depth and substance.

Your response will be public, and the author will be notified.